Lang-LKW – ist der Gigaliner Fluch oder Segen?
Seit Beginn 2017 sind Lang-LKW auf ausgewählten Strecken in Deutschland, dem sogenannten Positivnetz, erlaubt. Unter der Verordnung „LKWÜberlStVAusnVstvausnv“, kurz „Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge“ ließ das Bundesverkehrsministerium die neuen Riesen im Straßenverkehr zu. Sehr zum Leidwesen des Umweltministeriums, das Bedenken hinsichtlich der neuen Fahrzeuggattung, den „Gigalinern“ anmeldete.
Hintergründe zum Lang-LKW
- Der Lastwagen darf bis zu 25,25 Metern lang sein (im Gegensatz zu bislang maximal 18,75 Metern)
- Das Gewicht ist wie bisher auf maximal 40 Tonnen bzw. 44 Tonnen im Kombinierten Verkehr beschränkt
- Der Transport von flüssiger Ladung in Großtanks ist mit Lang-LKW verboten
- Der Fahrer muss mindestens fünf Jahre im Besitz seiner Fahrerlaubnis sein und fünf Jahre Berufserfahrung im gewerblichen Straßengüter- oder Werkverkehr nachweisen
- Zudem benötigt der Fahrer einen speziellen Einweisungslehrgang
- Der LKW muss mit einer rückwärtigen Kamera am Heck ausgerüstet sein
- Der LKW muss außerdem das Warnschild „Lang-LKW“ am Heck aufweisen
- Einige Sattelzüge sind noch nicht für den Straßenverkehr zugelassen und sollen noch in weiteren Feldversuchen getestet werden – teilweise bis zu sieben Jahre.
Das Positivnetz umfasst eine Länge von 11.600 Kilometern, davon entfallen ca. 70 Prozent auf Autobahnen. Damit ist über die Hälfte des deutschen Autobahnnetzes für Lang-LKW zugelassen. Das Positivnetz umfasst 14 Bundesländer, nur das Saarland und Berlin haben sich der Teilnahme an der Befahrung ihrer Straßen bislang verweigert.
Reichen fünf Jahre Testlauf?
Bundesverkehrsminister Dobrindt weiß seiner Entscheidung pro Lang-LKW nur positives abzugewinnen: „Die Lang-Lkw sind fünf Jahre im Feldversuch getestet worden – mit positivem Befund.“ Dieser Feldversuch dauerte von Januar 2012 bis Dezember 2016. Zuletzt beteiligten sich 60 Unternehmen mit 161 Fahrzeugen.
Kritiker aus dem Bundesumweltministerium und den Lobbyisten von der“ Allianz pro Schiene“ üben dagegen deutliche Kritik: Die Testphase habe keineswegs ausreichende Ergebnisse gebracht und sei daher zumindest auszuweiten.
Ist der Lang-LKW umweltfreundlich?
Laut Verkehrsministerium sei der Lang-LKW ein ökologischer Vorteil, da 15 bis 25 Prozent Emissionen und Kraftstoff gespart würden. Es gelte die Formel „Aus 3 mach 2“. Dobrindt: „Zwei Lang-Lkw ersetzen drei herkömmliche Lkw. Weniger Fahrzeuge bedeuten auch weniger Emissionen. Das ist gut für die Umwelt und gut für den Logistikstandort Deutschland.“
Genau hier sieht die Gegenseite eine Milchmädchenrechnung. Der konkrete Vorwurf: Durch die Verbilligung des Gütertransports auf der Straße werde der umweltfreundlichere Schienengüterverkehr preislich nicht mehr attraktiv, so dass in der Folge immer mehr Lastwagen auf die Straße kämen. Die Prognose: 7.000 LKW-Fahrten mehr pro Tag. So konterkariere man den Klimaschutz und die Annahme, dass die Gigaliner nicht zu einer Verlagerung von Verkehren auf die Straße führe.
Infrastruktur & Sicherheit
Ein weiterer Streitpunkt der beiden Lager ist, wie sich der Einsatz von Lang-LKW in Maßnahmen zur Infrastruktur niederschlägt. Die Kritiker befürchten zunehmende Investitionen in den Straßenbau, Parkbuchten oder Tunnelspuren.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht das ganz anders. Der Erhaltungsaufwand für die Infrastruktur müsse wegen der Lang-LKW nicht erhöht werden, im Gegenteil: Dadurch, dass das Gewicht bei den Riesentrucks auf mehrere Achsen verteilt werde, wäre die Belastung pro Achse niedriger und damit die Abnutzung der Straße geringer.
Und in puncto Sicherheit seien beispielsweise bei Überholvorgängen keine Unterschiede im Vergleich zu herkömmlichen Lastfahrzeugen festzustellen gewesen. Gegner des Lang-LKW monieren dagegen zum Beispiel, dass die Brummis beim Abbiegen seitlich kaum Sicherheitsabstand hätten, dadurch die Fahrbahn verließen oder blockierten und so das Unfallpotential deutlich steige.
Sind Lang-LKW notwendig?
Der Straßengüterverkehr soll prognostiziert bis 2030 gegenüber 2010 um ca. 40 Prozent steigen. Auf der Straße werden zumeist nicht die schweren Güter transportiert, sondern eher leichte, die aber sperrig bzw. voluminös sind und damit das Ladevolumen erhöhen. Für diese Güter ist der Lang-LKW eine echte Alternative. Ob es aber tatsächlich zu einer echten Flut der Gigaliner auf unseren Autobahnen kommt, darf eher bezweifelt werden. So gaben in einer Umfrage der Verkehrsrundschau vom Dezember 2016 ca. die Hälfte der Befragten Logistikdienstleister an, nicht in Lang-LKW zu investieren, weil sie schlicht keine geeigneten Güter zu transportieren hätten, die eine Anschaffung notwendig machten.
Im Stadtbild werden Lang-LKW (außer in Industriegebieten) nicht zu sehen sein, da sie in erster Linie den Warenverkehr vom Hersteller o.ä. zum Verteilerzentrum übernehmen werden. Den Weg zum Supermarkt um die Ecke werden nach wie vor die herkömmlichen Transportfahrzeuge übernehmen.